Olbrich
Prof. Dr. Erhard Olbrich : Tiere und die Entwicklung kindlicher Kompetenzen
Am 30. 4. 2002 wurden in Berlin einige Vorträge zum Thema „Tiere in der Schule“ gehalten. Prof. Dr. Erhard Olbrich fasste in seinem Vortrag „Tiere und die Entwicklung der kindlichen Kompetenzen“ einige Punkte zusammen, die für die Arbeit mit Schülern sehr wichtig erscheinen!
Er betont, dass der „Schonraum einer Welt kindlichen Erlebens“ durch die rasch expandierende virtuelle Welt immer mehr verschwindet. Die digitale / verbale Kommunikation, in der der Inhaltsaspekt betont wird, erscheint immer wichtiger. Aber die analoge / nonverbale Kommunikation, die den Beziehungsaspekt betont, bestimmt entscheidend die ersten Monate unseres Lebens. Durch sie wird der Zugang zu einer Welt von Bezogenheit und Empathie erst ermöglicht.
Menschen und Tiere kommunizieren fast nur analog. Das Zusammenleben mit Tieren verbessert aber nicht nur die Fähigkeit zur analoger Kommunikation, sondern es stärkt auch die Entwicklung von Empathie (Mitleid, Mitgefühl, Mitschwingen). Menschen mit guter Abstimmung zwischen analoger und digitaler Kommunikation sind „stimmiger“ / authentischer! Tiere regen nachweislich die emotionale und soziale Intelligenz an und wirken als soziale Katalysatoren!
Tiere bauen unechte Kommunikation ab, erleichtern die Kontaktaufnahme und aktivieren. Sie ermöglichen eine angemessene Abgrenzungsfähigkeit, reduzieren vorzeitige Beziehungsabbrüche und führen zu einem besseren Zugang zu den eigenen Emotionen und Instinkten. Eine gegenseitige Ergänzung der Leistungen links- und rechtshemisphärischer neurologischer Prozesse ist wichtig. Eine These der evolutionären Psychiatrie geht davon aus, „dass das Auftreten von psychischen Auffälligkeiten auf der Störungsanfälligkeit des Zusammenspiels von Gehirnstrukturen unterschiedlichen Alters beruht“. Verhaltensweisen des Menschen sind einer natürlichen Umgebung angepasst und mit der heutigen modernen Umgebung häufig nicht mehr zu vereinen.
Olbrich verweist auch auf Rogers und „das Prinzip der Optimierung menschlicher Entwicklung“. Tiere nehmen hier eine wichtige Rolle ein, da sie z. B. kein Urteil über Kinder fällen. Für sie zählt nur die ehrliche Zuwendung und sie nehmen somit auch keine Viktimisierung (Abwendung von behinderten, leidenden Menschen) vor. Nach Rogers sollten Bezugspersonen authentisch sein und Tiere spielen deshalb eine wichtige Rolle. Sie vermitteln Erfahrungen, die das Selbstvertrauen stärken und einen Anstieg der Selbstachtung hervorrufen. Dadurch können Kinder intrinsisch eine Überzeugung von der eigenen Tüchtigkeit aufbauen.
„Es sind einfache Interaktionen, die zwischen Kindern und Tieren ablaufen, aber gerade in ihrer Einfachheit bieten sie die Gewähr für die Entwicklung kindlicher Kompetenzen, die in einer hoch entwickelten, auf kognitive Effizienz und Kontrolle ausgerichteten Gesellschaft zu wenig beachtet werden.“
Prof. Dr. Erhard Olbrich : K(l)eine Therapeuten in der Pflege
Am 16. 9. 2006 fand in Unna das 1. NRW Symposium zum Thema "Tiergestützte Aktivität und Therapie in der Alten- und Krankenpflege" statt. Einige Punkte von Prof. Dr. Olbrichs Vortrag haben auch für die Tiergestützte Pädagogik in der Schule Bedeutung.
Im ersten Teil ging es um die Frage „Ob Tiere Menschen gesund machen?“ und E. Olbrich stellte fünf Studien vor:
- Friedmann (1982) untersuchte 92 Patienten ein Jahr nach einem Herzinfarkt. 14 von ihnen waren verstorben, wobei 3 (von 53) ein Heimtier gehabt hatten und 11 (von 39) keines! Die Überlebensrate lag also bei Tierhaltern bei 95% und bei der Vergleichsgruppe bei 72%!
- Anderson et. Al. (1992) untersuchten 4957 Menschen ohne Tier und 784 mit Tier, die soziodemographisch vergleichbar waren. Die Tierbesitzer hatten einen niedrigeren systolischen Blutdruck besonders die Männer und älteren Frauen. Die Triglyzeridwerte waren besser und bei Männern mit Tier auch die Cholesterolwerte, obwohl sie mehr rauchten und mehr Fleisch aßen.
- Siegel (1993) stellte fest, dass betagte Patienten mit Tier 16% weniger Arztbesuche hatten und mit Hund sogar 21%. Sie nahmen auch weniger Medikamente bei leichten Erkrankungen.
- Raina et al. (1998;1999) stellte fest, dass von 1000 betagten Kanadiern Tierhalter 30 Kontakte mit dem Gesundheitssystem hatten und die Vergleichsgruppe 37. Tierhalter mussten gleich häufig ins Krankenhaus, blieben aber im Schnitt 8 Tage statt 13 Tage dort.
- B. Headey und M. M. Grabka erforschten 1996/2001 10.000 Personen, von denen ca. 37% Tierbesitzer waren. Diese gingen 7% weniger zum Arzt als die Vergleichsgruppe. Langfristige Tier- und Hausbesitzer sogar 16% weniger.
Hieraus ergibt sich die Frage, ob es um körperliche oder sozial-psychosomatische Erklärungen geht! Also um Training von Muskeln, Kreislauf, Gelenken und Ernährung oder/und weniger Isolation, innere Sicherheit, Stressfreiheit, spielerische Aktivität und Freude und angstfreie Berührung??!!
- Depressionen sind lebensverkürzend --> Tiere verhelfen zu lustigeren, angenehmeren, spielerischen Aktivitäten
- subjektiv einsame, ungeliebte Menschen sterben früher --> aktive Tiere geben Zuwendung und erlauben Vertrauen
- Alleinlebende sind häufiger krank und leben kürzer --> Tiere wirken als soziale Katalysatoren
- Negative Affektivität aller Krankheiten --> Tiere haben kaum Stimmungsschwankungen, helfen eigene Bedürfnisse zu spüren und leben aktiv im Hier und Jetzt
Marr u. a. haben 2000 eine Gruppentherapie mit Tieren und eine Vergleichsgruppe 5 Wochen lang täglich beurteilt. In der Tiergruppe gab es sign. mehr Lächeln und Ausdruck von Wohlbefinden, mehr soziale Aktivität und mehr Interaktionen!
Im zweiten Teil ging es um die Frage „Was Tiere für alte Menschen tun?“
1. aktivieren auf optimalem Niveau
2. stimulieren durch positive Interaktionen
3. helfen Lethargie zu überwinden
4. stimulieren sensorisch
5. integrieren sensorisch
6. Reminiscing / Lebensrückblick
7. resozialisieren /Katalysatoren
8. integrieren in die Gemeinschaft
9. wecken Anteilnahme
10. hellen die Stimmung auf
11. sind ein Spiegel für Emotionalität
12. lenken von Ängsten ab und verringern Depressionen
13. bewältigen Verlust und Trauer auf natürliche Weise
14. akzeptieren und erwidern Liebe
15. stärken (Ur-)Vertrauen
16. fördern Erfahrungsmodus /implizite Funktionen
17. motivieren intrinsisch
18. ermöglichen lebenslanges Lernen
19. reaktivieren gelebtes Leben
20. akzeptieren „konstituieren“ ihren Menschen wie er ist
21. stärken Kurz- und Langzeitgedächtnis
22. verhelfen zum Lernen neuer Aktivitäten
23. verbessern Realitätsorientierung
24. verringern Isolation
25. kooperieren mit Menschen
26. erhalten die Kompetenz
27. vermitteln ein „gebraucht werden“
Wichtig ist noch die Feststellung, dass bei Menschen mit der Alzheimer-Krankheit primär die digitale Kommunikation eingeschränkt ist. Das Bedürfnis nach taktilem Kontakt, nach non-verbalem Austausch bleibt!